Ich wurde mal sehr gelobt für die Aussage, dass ein gutes Bier nicht unbedingt eine Story braucht, sondern seine eigene Geschichte erzählt. Das war auf einer berühmten Münchner Biermesse, so ca. nach der 11. Verkostungsrunde. Es hat mich nur nie jemand gefragt, wie das so genau vonstatten geht. Möglich wäre vielleicht ein Interview, welches ich heute mit dem Schönramer Imperial Stout Ruby Porter führen werde. Dieses hat gerade eine sehr spannende Lebensphase hinter sich, nämlich eine 14-Monatige Lagerung in einem Holzfass, das vorher mit Portwein belegt war. Bestimmt kann es uns einiges davon berichten.
Interview mit einem Bier
H-C: Grüß Gott, wie man im schönen Bayern zu sagen pflegt. Ich freue mich, Sie kennenzulernen.
SISRP: Habe die Ehre! Danke, dass Sie mich zum Interview in Ihr Glas eingeladen haben!
H-C: Wie ich hörte, sind Sie schon viel herumgekommen, man sagt, Sie sollen sogar mal in einem Holzfass gewohnt haben?
SISRP: Ja, das stimmt. Mein Vater, der berühmte Braumeister Eric Toft, hat mich dort hineingepumpt. Er wollte, dass ich den richtigen Schliff fürs Leben bekomme und meinen Horizont erweitere.
H-C: Und wie war das da drin? War Ihnen nicht langweilig? 14 Monate sind ja eine lange Zeit!
SISRP: Ach nein, das war schon OK. Mein Vormieter, ein Portwein, hat einiges dort zurückgelassen, und ich hatte ja viel Zeit, mich damit zu beschäftigen. Ich habe mich einfach komplett in diese Welt versetzt, und dabei bin ich wohl auch ein Stück weit ein anderes Bier geworden.
H-C: Inwiefern?
SISRP: Na ja, wissen Sie, wenn jemand lange ein Holzfass bewohnt, dann hinterlässt er automatisch Spuren. Und diese Aromen wird man als Nachmieter nicht mehr ohne weiteres los, wenn man sich, so wie ich, auf die Suche danach begibt. Obwohl ich meinen Vormieter, den Portwein, nie persönlich kennengelernt habe, fühle ich mich ihm sehr verbunden.
H-C: Sind Ihre alten Tugenden bei dieser Exkursion auf der Strecke geblieben?
SISRP: Glaube ich nicht. Immerhin hatte ich schon immer einen starken Charakter, genau wie meine Brüder, die sich ebenfalls längere Zeit in Holzfässern aufgehalten haben, um dort nach Spuren ihrer Vormieter zu suchen. Nein, ich bin nach wie vor von tiefschwarzer Farbe, habe diverse Schoko- und Kaffeearomen und 9,5% vol. Alkohol. Da sind einfach nur neue Facettten zu meinem Charakter hinzu gekommen.
H-C: Fühlt man sich nach so einem Aufenthalt im Holzfass überhaupt noch rezent?
SISRP: Nein, nicht wirklich! Als ich wieder ans Tageslicht kam, war ich völlig entkarbonisiert, und mein Vater musste erstmal mit viel Co2 nachhelfen, um mich wieder in Form zu bringen. Jetzt ist diesbezüglich aber wieder alles im Lot.
H-C: Noch eine letzte Frage: Wo trifft man Sie in Ihrer Freizeit?
SISRP: Meistens bin ich im gut sortierten Getränkehandel unterwegs.
H-C: Ich danke Ihnen für dieses Gespräch!
Soundtrack: Ruby Tuesday – The Rolling Stones